Ehemaligenbericht von Leander Rolef, Abitur 2014
Mein Name ist Leander Rolef, und ich habe von der 7. bis zur 12. Klasse das Herder-Gymnasium besucht. Diese Entscheidung habe ich zusammen mit meinen Eltern getroffen, da ich schon seit der Grundschule großes Interesse in den Naturwissenschaften und vor allem der Mathematik hatte und von der guten Lehre im mathematisch-naturwissenschaftlichen Profil des Herder-Gymnasiums gehört hatte.
Jetzt bin ich 19 Jahre alt und studiere Physik an der TU Berlin. Rückblickend kann ich nun sagen, dass ich sehr gut auf das Studium vorbereitet wurde. Während für viele Mitstudenten gerade die Mathematik an der Uni vollkommen fremd, ungewohnt und teilweise sogar einschüchternd war, konnte ich zwei entspannte Semester verbringen, in denen auf ein solides mathematisches Fundament aus der Schule aufgebaut wurde. Bei anderen, die weniger mathematische Vorbildung aus der Schule genießen durften, musste stattdessen ein völlig neues Gebäude der Mathematik errichtet werde; nicht selten erst nach Abriss des alten.
Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass kein noch so umfangreicher Vorkurs zur Vorbereitung auf die Höhere Mathematik einen guten Mathematikunterricht ersetzen kann, in dem keine Kochrezepte zur Lösung häufiger Abituraufgaben vorgestellt wurden, sondern Konzepte, Ideen, Vorgehensweisen der Mathematik beigebracht werden.
Bis heute habe ich nicht vergessen, wie ich in der Schule meinen ersten Beweis der Irrationalität von Wurzel 2 aus Papierschnipseln mit einzelnen Schritten zusammenbasteln durfte. Dass bald schon keine Beweise mehr im Rahmenlehrplan des Mathematikunterrichts in Berlin auftauchen, finde ich erschreckend, denn der Beweis ist eines der schönsten und wichtigsten Konzepte der Mathematik, das im Studium von Naturwissenschaften oder der Mathematik nicht mehr wegzudenken ist.
Wie soll ein Physikstudent, der in seiner Schullaufbahn bisher noch keinen gesehen hat, gleich zu Beginn des Studiums drei für sein erstes Hausaufgabenblatt führen? Es geht nicht! Viele Mitstudenten haben schon an diesem frühen Punkt erste Zweifel an der Wahl des Studiums, die bei vielen zum Studienabbruch führen, wenn das Tempo nach den ersten Wochen zunimmt. Jene, die es trotz schlechter Vorbildung durchziehen, sitzen oft stundenlang in der Uni und lernen.
Als Herder-Absolvent hatte ich keine Probleme; ich konnte anderen helfen, meine Freizeit genießen oder mich auf andere Aufgaben konzentrieren. Sogar die Analysis1- und Lineare-Algebra1-Scheine hatte ich schon, da man sie am Herder-Gymnasium in Zusatzkursen erwerben konnte.
Der eventuelle zeitliche Mehraufwand in der Schulzeit ist weitaus geringer als die dadurch eingesparte Zeit im Studium. Wenn nun noch dazukommt, dass das Lernen in der Schule mit viel mehr Erfolgserlebnissen, Spaß und kompetenten Lehrern verbunden ist, kann meine Wahl nur richtig gewesen sein. Ich würde sie zweifellos wieder treffen.
Viele würden sicher entgegnen, dass der Abiturschnitt am Herder-Gymnasium nicht so gut ist bzw. dort "schlechtere" Noten vergeben würden. Tatsächlich ist es schwieriger, den gleichen Abiturschnitt am Herder-Gymnasium zu bekommen, als an vielen anderen Schulen. Einige ehemalige Klassenkameraden haben deshalb die Schule gewechselt, und jeder einzelne hatte schlagartig einen besseren Notendurchschnitt bei gleichem oder sogar weniger Aufwand. Einer hat sogar das 1,0 Abitur mit Leichtigkeit geschafft, sodass ihm die Türen für jedes Studium offen stehen.
Das klingt ja erstmal super, aber ändert nichts an der Tatsache (die ihm auch selbst bewusst ist), dass er trotzdem weniger gelernt hat als am Herder-Gymnasium. Das Problem liegt an dem Notenwahn der Schulen und der inflationären Vergabe von Bestnoten. Als Schule, die an sich selbst den Anspruch stellt, ihre Abiturienten bestmöglich auf die Universität vorzubereiten, also in jedem Fall eine Studierfähigkeit zu gewährleisten, spielt das Herder-Gymnasium nach einem Regelsatz, den andere Schulen zu ignorieren scheinen. Dazu muss ich mich im Studium nur umsehen und die Ausfallquote nach der letzten Klausur begutachten.
Wer den Schnitt für das Wunschstudium braucht, kann es auch am Herder-Gymnasium schaffen, es ist nur schwieriger. In meinem Jahrgang haben drei Leute das 1,0 Abitur geschafft, alle sind hervorragende Studenten geworden und fast allen anderen weit voraus.
Ich habe mein Abitur "nur" mit 1,4 bestanden, aber die Probleme im Studium, die einige Mitstudenten mit besserem Schnitt hatten, habe ich nicht. Wenn ich irgendwann zu einem Bewerbungsgespräch gehen sollte, wird man sich sicher nicht in erster Linie für meinen Abiturschnitt interessieren, sondern für meine erworbenen Fachkenntnisse. Und diese zu erwerben, hat mir meine Schule ermöglicht.
Deshalb kann ich das Herder-Gymnasium Eltern und Kindern gleichermaßen nur empfehlen. Ich hatte viel Spaß während meiner Schulzeit, habe viel gelernt und hatte ein tolles Umfeld.